Fragen und Antworten zum Elektronischen Rechtsverkehr und zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach

Ja, gemäß § 130a Abs. 1 ZPO n. F. können vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien und schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter weiterhin als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden, wenn das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist (§ 130a Abs. 1 ZPO bzw. § 130a Abs. 3 ZPO n.F.). Der EGVP-Client steht noch bis einen Monat nach Wiederinbetriebnahme des beA-Systems zur Verfügung. Insbesondere für das elektronische Versenden von Mahnbescheiden mit RA-MICRO ist zu empfehlen, das Nachfolgeprodukt des EGVP, den Governikus Communicator Justiz Edition, zu nutzen.

Daneben sind gem. § 130a Abs. 3 ZPO n.F. künftig weitere „sichere Übermittlungswege“ zugelassen.

 

Mit der Auslieferung der RA-MICRO Jahresversion 2018 ist die beA-BRAK-Schnittstelle in RA-MICRO integriert worden. Die weiteren Einzelheiten zur Nutzung der beA-Schnittstelle der BRAK in RA-MICRO können im Modul Kanzlei, RM-Wissen, Online-Hilfe, Informationen zur Integration der beA-Schnittstelle nachgelesen werden. Link: https://onlinehilfen.ra-micro.de/index.php/Informationen_zur_Integration_der_beA_Schnittstelle

Das bisherige EB wird durch ein elektronisches EB ersetzt (§ 174 Abs. 4 ZPO-neu). Während der Regierungsentwurf ursprünglich eine Abschaffung des schriftlichen Empfangsbekenntnisses vorsah und dieses durch eine vom zukünftig einzurichtenden elektronischen Postfach der Anwälte automatisch erstellte Eingangsbestätigung (nach 3 Tagen) ersetzt werden sollte, wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf die Kritik der Anwaltsverbände reagiert. Nunmehr ist ein elektronisches Empfangsbekenntnis als Ersatz für das bisherige Empfangsbekenntnis vorgesehen, welches als strukturierter maschinenlesbarer Datensatz zu übermitteln ist.

Die Zustellung eines Dokuments durch das Gericht an den Anwalt oder von Anwalt zu Anwalt kann weiterhin gegen Empfangsbekenntnis erfolgen. Das bisherige EB wurde zum 3.9.2018 durch ein elektronisches EB ersetzt. Dieses Empfangsbekenntnis wird in strukturierter maschinenlesbarer Form erteilt. Es wird dabei kein elektronisches Dokument  übermittelt, sondern nur ein Datensatz, der vom Gericht oder dem zustellenden Anwalt automatisiert in die eigene EDV eingelesen wird.

Im Verhältnis der Anwälte untereinander (Zustellung von Anwalt zu Anwalt) wird es mit Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs zudem einen einheitlichen Standard zur vertraulichen Übermittlung von Dokumenten geben. Denn Nachrichten sollen auch unter den Anwaltspostfächern (verschlüsselt) übersandt und zugestellt werden können.

 

Sicherer Datenaustausch und Zustellungsnachweis

Ein wesentlicher Vorteil wird der schnelle und sichere Datenaustausch mit Zustellungsnachweis sein. Über eine Eingangsbestätigung weiß der Anwalt schnell, ob und wann ein Dokument vollständig bei Gericht eingegangen ist (§ 130a Abs. 5 S. 2 ZPO n.F.). Zudem können strukturierte Datensätze elektronisch mit den Gerichten ausgetauscht werden. Bei Einreichung einer Klage wird über das Portal oder die Kanzleisoftware bereits ein eigener Datensatz angelegt, der beispielsweise die Parteidaten enthält. Die Gerichtsverwaltung kann diesen Datensatz in die eigene EDV automatisiert einlesen. Umgekehrt werden die Gerichte die strukturierten Daten auch an die Kanzleien übermitteln, die diese wiederum in ihre Kanzleisoftware einlesen können. Fristen könnten bspw. gleich automatisiert in den Kanzleikalender eingetragen werden und müssen anschließend nur noch durch den sachbearbeitenden Anwalt überprüft werden.

Flexibilität und Zeitgewinn

Weiterer Vorteil des elektronischen Rechtsverkehrs ist, dass Arbeitsabläufe innerhalb der Kanzlei straffer und effektiver gestaltet werden können. Die ausschließlich elektronische Arbeit mit PC, Laptop oder Tablet in einem umfassenden E-Workflow kann damit, wenn sie richtig eingesetzt wird, die tägliche Arbeit enorm erleichtern.

Die elektronische Aktenführung bietet eine enorme Flexibilität. Denn elektronische Akten sind praktisch von überall, wo ein Netzzugang vorhanden ist, zu erreichen. Auch Akteneinsichten oder Verfahrensstandabfragen werden zukünftig elektronisch und praktisch sogar von zu Hause oder dem Arbeitsplatz aus möglich werden. Insofern ist ein permanenter und ortsunabhängiger Zugriff möglich. Zukünftig wird der Anwalt oder Rechtssuchende durch den elektronischen Zugang auch nicht mehr an die Öffnungszeiten der Gerichte gebunden sein, sondern hat – ohne Wartezeiten –  zeitlich unbegrenzten Zugriff auf die einzusehenden Dokumente.

Effizientere Arbeitsweise und Kostenreduzierung

Eine Kosteneinsparung ergibt sich bereits daraus, dass Portokosten für das Versenden von Schriftsätzen etc. oder für die Anforderung von Akten entfallen – ebenso die Kosten für Versandumschläge und das Ausdrucken oder Kopieren der Akten und Schriftsätze. Außerdem führt eine elektronische Archivierung der Akten dazu, Akten- und Papierberge zu vermeiden. Somit müssen keine zusätzlichen Räumlichkeiten bereitgehalten werden, in denen die Akten aufbewahrt werden. Auch eine umständliche Suche im Aktenkeller entfällt künftig.

Eine elektronische Aktenführung ermöglicht zudem eine effektivere Mandatsbearbeitung als es mit Papierakten möglich ist. Dadurch wird die Aktenbearbeitung effizienter und schneller, denn es steht ein elektronischer Workflow für Sortierung, Suchfunktion und systematische Erfassung von Akteninhalten zur Verfügung. Akteninhalte können dadurch schneller aufgefunden und bearbeitet werden.

 

Grundsätzlich ist es möglich, dass das Gericht das elektronische Dokument nicht verarbeiten kann oder dass vorübergehend technische Einrichtungen – z. B. aufgrund von Wartungsarbeiten – nicht verfügbar sind. Für diese Fälle hat der Gesetzgeber aber Vorsorge getroffen. Ist das Dokument nicht zur Bearbeitung geeignet, so teilt das Gericht dies dem Absender mit. Das Dokument gilt zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt, § 130a Abs. 6 ZPO n.F.

Ist die Übermittlung eines elektronischen Dokuments aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen, § 130d Satz 2 ZPO n.F.

Für jedes im Gesamtverzeichnis eingetragene Mitglied einer Rechtsanwaltskammer – dies sind insbesondere Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – wird ein beA eingerichtet, wodurch sichergestellt ist, dass nur zugelassene Anwälte mit den Gerichten elektronisch kommunizieren können. Diese vertrauen im Sinne des bundesweit anerkannten Konzepts „Secure Access To Federated E-Justice“ (S.A.F.E.) auf die Richtigkeit des Verzeichnisdienstes der Bundesrechtsanwaltskammer. Ausnahmen sind nicht vorgesehen, auch nicht aus Altersgründen oder aufgrund der Art oder des Umfangs der Tätigkeit. Rechtsanwälte im öffentlichen Dienst (§ 47 BRAO) erhalten ebenfalls ein Postfach. Auch Syndikusrechtsanwältinnen und Syndikusrechtsanwälte erhalten ein beA-Postfach. Ein Antrag oder eine sonstige Mitwirkung zur Einrichtung des Postfachs sind nicht vorgesehen; Postfächer werden unmittelbar empfangsbereit eingerichtet.

Grundsätzlich können über das beA zugelassene Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit den Gerichten sowie untereinander kommunizieren. Aber auch Behörden können an dem System teilhaben sowie Bürger, die sich ein EGVP-Bürgerpostfach eingerichtet haben.

Die BRAK hat den Zugang über ein Web-Portal zur Verfügung gestellt. Über einen Internetbrowser meldet sich die/der Anwältin/Anwalt am beA-Webzugang mit Benutzernamen, Passwort und einem weiteren Sicherungsmittel (z. B. Signaturkarte) an. Anschließend besteht die Möglichkeit, einen Schriftsatz vom lokalen Computer entsprechend in das Portal hochzuladen und von dort an das Gericht zu versenden.

RA-MICRO hat die beA-Schnittstelle der BRAK in die Kanzleisoftware integriert und bietet mittels Softwarezertifikat die weitgend automatisierte Einbindung der beA-Abläufe in die Kanzleiorganisation an.

Das ERV-Gesetz sieht die elektronische Erreichbarkeit der Gerichte zum 1.1.2018 in folgenden Prozessordnungen vor: ZPO, FamFG, ArbGG, SozGG, VwGO, FGO. Ausgenommen von der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs ist die Verfassungsgerichtsbarkeit. Für die Strafgerichtsbarkeit wurde das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs erlassen, welches die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs in Strafsachen grundsätzlich auch ab dem 01.01.2018 vorsieht. Wegen der Opt-Out-Möglichkeiten ist der aktuelle Stand in den jeweiligen Rechtsverordnungen der einzelnen Bundesländer nachzulesen.

Ja, § 130 d ZPO n.F. sieht eine Nutzungspflicht für alle zugelassenen Rechtsanwälte und Behörden vor. Diese beginnt – spätestens – am 1.1.2022. Allerdings kann dieser Beginn in den einzelnen Ländern durch Rechtsverordnung auch vorverlegt werden auf den 1.1.2020 oder 1.1.2021 (Art. 24 Abs. 2 ERV-Gesetz).

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat am 28.11.2016 für jede Anwältin/jeden Anwalt ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) eingerichtet. Die Teilnahme war nach der RAVPV zunächst freiwillig. Ab dem 01.01.2018 begann die sog. passive Nutzungspflicht, nach der die Anwaltschaft verpflichtet ist, sich beim beA zu registrieren und alle dort eingehenden Nachrichten zur Kenntnis zu nehmen und gegen sich gelten zu lassen. Nach der zwischenzeitlichen Offline-Stellung lebte diese Pflicht zur erneuten Live-Schaltung ab dem 03.09.2018 wieder auf.

Seit dem 1.1.2016 ist es nach § 945a ZPO n.F. auch möglich, Schutzschriften in einem zentralen, länderübergreifenden Schutzschriften-Register (ZSSR) zu hinterlegen. Ab 1.1.2017 ergibt sich aus § 49c BRAO n.F. eine berufsrechtliche Nutzungspflicht dieses Registers. Weitere Informationen zum ZSSR erhalten Sie hier.

Das ERV-Gesetz sieht ein gestaffeltes Inkrafttreten der verschiedenen Vorschriften in 3 Stufen vor:

  • 1. Stufe: ab 1.1.2016

Die Regelungen über die Errichtung der besonderen elektronischen Anwaltspostfächer sind bereits ab 01.01.2016 in Kraft getreten. Ab der Errichtung des beA-Systems ist die Empfangsbereitschaft jeder Anwältin/ jedes Anwalts für elektronische Anwaltspost über das beA herzustellen. Hierzu ist die BRAK gesetzlich verpflichtet.

  • 2. Stufe: ab 1.1.2018 – 1.1.2020

Frühestens ab 1.1.2018 besteht die Möglichkeit für die Anwaltschaft, elektronische Dokumente auch ohne qualifizierte elektronische Signatur bei Gericht über das besondere elektronische Anwaltspostfach einzureichen. Die Länder erhalten durch das Gesetz die Option, die Eröffnung des elektronischen Kommunikationswegs bis zum 31.12.2019 zu verschieben. Das Verschieben hat durch die Länder einheitlich für alle Gerichtsbarkeiten zu erfolgen (Art. 24 Abs. 1 S.2 sog. „Opt-Out“).

  • 3. Stufe: ab 1.1.2022

Spätestens ab 1.1.2022 wird eine gesetzliche Verpflichtung zur Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs für jede Rechtsanwältin und jeden Rechtsanwalt in Kraft treten. Die Landesjustizverwaltungen erhalten hierbei die Möglichkeit, das Inkrafttreten auf 01.01.2020 oder auf 01.01.2021 für jedes Land und jede Gerichtsbarkeit separat vorzuverlegen (Art. 24 Abs. 2 S. 1 sog. „Opt-In“). Die Vorverlegung ist jedoch nur zulässig, wenn allen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten die freiwillige Benutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs zwei Jahre lang freiwillig ermöglicht wurde. So darf die verpflichtende Nutzung ab 1.1.2020 nur eingeführt werden, wenn bereits ab 1.1.2018 der Anwaltschaft der elektronische Zugang durch das besondere elektronische Postfach gewährt wurde.

Einschränkung: Die Verpflichtung zur Einreichung elektronischer Dokumente über das besondere elektronische Anwaltspostfach wird auch nach dem 1.1.2022 für die Anwaltschaft nicht bestehen, wenn die Justiz aus technischen Gründen nicht auf elektronischem Weg erreichbar ist. Die Unmöglichkeit des Versands ist unverzüglich glaubhaft zu machen (für den Zivilprozess: § 130d Abs. 1 S.2 und S.3 ZPO n.F.).