Gesetzliche Grundlagen
Wichtige Gesetze und Verordnungen zum ERV
1. Überblick: Gesetze zum Elektronischen Rechtsverkehr
Die nachfolgend aufgeführten Gesetze, Richtlinien und Verordnungen bilden im Wesentlichen die rechtliche Basis des Elektronischen Rechtsverkehrs in Deutschland:
- Signaturrichtlinie vom 13.12.1999
- Signaturgesetz vom 16.05.2001
- Signaturverordnung vom 16.11.2001
- Zustellungsreformgesetz vom 25.06.2001
- Formvorschriftenanpassungsgesetz vom 13.07.2001
- Justizkommunikationsgesetz vom 22.03.2005
- vStartpage'%5d#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'bgbl113s3786.pdf'%5D__1411046831698">Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013
- Verordnung über das elektronische Schutzschriftenregister vom 24.05.2015
- Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer vom 28.09.2016
- Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5.07.2017
- Verordnung für die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) vom 24.11.2017
- Bekanntmachung zu § 5 der ERVV des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 19.12.2017
2. Das “ERV-Gesetz”: Gesetz zur Förderung des Elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten
Gesetzgebungsverfahren und Gesetzesmaterialien
- Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21.12.2012 (BR-Drs. 818/12)
Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten - Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 06.03.2013 (BT-Drs. 17/12634)
Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten - Rechtsausschuss im Bundestag vom 12.06.2013 (BT-Drs. 17/13948)
Beschlussempfehlung und Bericht zum Gesetzentwurf der Bundesregierung - Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (BGBl. I, 3786)
vStartpage'%5d#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'bgbl113s3786.pdf'%5D__1408013681877" target="_blank">verkündet im Bundesgesetzblatt am 16.10.2013
3. Welche Gerichte sind von der Einführung des ERV betroffen?
Verfahrensordnungen und Gerichtsbarkeiten
Das ERV-Gesetz sieht Änderungen in den folgenden Prozessordnungen vor:
- ZPO (Artikel 1) – Zivilgerichte,
- FamFG (Artikel 2) – Familiengerichte,
- ArbGG (Artikel 3) – Arbeitsgerichte,
- SGG (Artikel 4) – Sozialgerichte,
- VwGO (Artikel 5) – Verwaltungsgerichte,
- FGO (Artikel 6) – Freiwillige Gerichtsbarkeit.
Das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs sieht verschiedene Änderungen in der StPO vor.
Bislang ausgenommen von der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs sind die Verfassungsgerichte.
4. Welches sind die wichtigsten neuen Vorschriften und wann treten sie in Kraft?
Öffentliche Urkunden
§ 371b
Beweiskraft gescannter öffentlicher Urkunden
Wird eine öffentliche Urkunde nach dem Stand der Technik von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person in ein elektronisches Dokument übertragen und liegt die Bestätigung vor, dass das elektronische Dokument mit der Urschrift bildlich und inhaltlich übereinstimmt, finden auf das elektronische Dokument die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden entsprechende Anwendung. Sind das Dokument und die Bestätigung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, gilt § 437 entsprechend.
Elektronische Formulare
§ 130c ZPO
Formulare; Verordnungsermächtigung
Das Bundesministerium der Justiz kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates elektronische Formulare einführen. Die Rechtsverordnung kann bestimmen, dass die in den Formularen enthaltenen Angaben ganz oder teilweise in strukturierter maschinenlesbarer Form zu übermitteln sind. Die Formulare sind auf einer in der Rechtsverordnung zu bestimmenden Kommunikationsplattform im Internet zur Nutzung bereitzustellen. Die Rechtsverordnung kann bestimmen, dass eine Identifikation des Formularverwenders abweichend von § 130a Absatz 3 auch durch Nutzung des elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 des Personalausweisgesetzes oder § 78 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erfolgen kann.
Elektronische Abschriften und Zustellung
§ 169 ZPO
Bescheinigung des Zeitpunktes der Zustellung; Beglaubigung
(1) Die Geschäftsstelle bescheinigt auf Antrag den Zeitpunkt der Zustellung.
(2) Die Beglaubigung der zuzustellenden Schriftstücke wird von der Geschäftsstelle vorgenommen. Dies gilt auch, soweit von einem Anwalt eingereichte Schriftstücke nicht bereits von diesem beglaubigt wurden.
(3) Eine in Papierform zuzustellende Abschrift kann auch durch maschinelle Bearbeitung beglaubigt werden. Anstelle der handschriftlichen Unterzeichnung ist die Abschrift mit dem Gerichtssiegel zu versehen. Dasselbe gilt, wenn eine Abschrift per Telekopie zugestellt wird.
(4) Ein Schriftstück kann in beglaubigter elektronischer Abschrift zugestellt werden. Die Abschrift ist mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu versehen.
(5) Ein nach § 130b errichtetes gerichtliches elektronisches Dokument kann in Urschrift zugestellt werden; einer Beglaubigung bedarf es nicht.
§ 317 ZPO
Urteilszustellung und -ausfertigung
(1) Die Urteile werden den Parteien, verkündete Versäumnisurteile nur der unterliegenden Partei in Abschrift zugestellt. Eine Zustellung nach § 310 Abs. 3 genügt. Auf übereinstimmenden Antrag der Parteien kann der Vorsitzende die Zustellung verkündeter Urteile bis zum Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung hinausschieben.
(2) Ausfertigungen werden nur auf Antrag und nur in Papierform erteilt. Solange das Urteil nicht verkündet und nicht unterschrieben ist, dürfen von ihm Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften nicht erteilt werden. Die von einer Partei beantragte Ausfertigung eines Urteils erfolgt ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe; dies gilt nicht, wenn die Partei eine vollständige Ausfertigung beantragt.
(3) Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften eines als elektronisches Dokument (§ 130b) vorliegenden Urteils können von einem Urteilsausdruck gemäß § 298 erteilt werden.
(4) Die Ausfertigung und Auszüge der Urteile sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen.
(5) Ist das Urteil nach § 313b Abs. 2 in abgekürzter Form hergestellt, so erfolgt die Ausfertigung in gleicher Weise unter Benutzung einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift oder in der Weise, dass das Urteil durch Aufnahme der in § 313 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 bezeichneten Angaben vervollständigt wird. Die Abschrift der Klageschrift kann durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder durch den Rechtsanwalt des Klägers beglaubigt werden.
Besonderes elektronisches Anwaltspostfach
§ 31a BRAO
Besonderes elektronisches Anwaltspostfach
(1) Die Bundesrechtsanwaltskammer richtet für jedes im Gesamtverzeichnis eingetragene Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach empfangsbereit ein. Nach Einrichtung eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs übermittelt die Bundesrechtsanwaltskammer dessen Bezeichnung an die zuständige Rechtsanwaltskammer zur Speicherung in deren Verzeichnis.
(2) Zum Zweck der Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs übermittelt die Rechtsanwaltskammer den Familiennamen und den oder die Vornamen sowie eine zustellfähige Anschrift der Personen, die einen Antrag auf Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer gestellt haben, an die Bundesrechtsanwaltskammer. Bei Syndikusrechtsanwälten ist zusätzlich mitzuteilen, ob die Tätigkeit im Rahmen mehrerer Arbeitsverhältnisse erfolgt. Die übermittelten Angaben sind zu löschen, wenn der Antrag zurückgenommen oder die Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer unanfechtbar versagt wurde.
(3) Die Bundesrechtsanwaltskammer hat sicherzustellen, dass der Zugang zu dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nur durch ein sicheres Verfahren mit zwei voneinander unabhängigen Sicherungsmitteln möglich ist. Sie hat auch Vertretern, Abwicklern und Zustellungsbevollmächtigten die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs zu ermöglichen; Absatz 2 gilt sinngemäß. Die Bundesrechtsanwaltskammer kann unterschiedlich ausgestaltete Zugangsberechtigungen für Kammermitglieder und andere Personen vorsehen. Sie ist berechtigt, die in dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach gespeicherten Nachrichten nach angemessener Zeit zu löschen. Das besondere elektronische Anwaltspostfach soll barrierefrei ausgestaltet sein.
Schutzschriftenregister
§ 945a ZPO
Einreichung von Schutzschriften
(1) Die Länder führen ein zentrales, länderübergreifendes elektronisches Register für Schutzschriften (Schutzschriftenregister). Schutzschriften sind vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen erwartete Anträge auf Arrest oder einstweilige Verfügung.
(2) Eine Schutzschrift gilt als bei allen ordentlichen Gerichten der Länder eingereicht, sobald sie in das Schutzschriftenregister eingestellt ist. Schutzschriften sind sechs Monate nach ihrer Einstellung zu löschen.
(3) Die Gerichte erhalten Zugriff auf das Register über ein automatisiertes Abrufverfahren. Die Verwendung der Daten ist auf das für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben Erforderliche zu beschränken. Abrufvorgänge sind zu protokollieren.
Nutzungspflicht des Schutzschriftenregisters für Anwälte
§ 49c BRAO (neu)
Einreichung von Schutzschriften
Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, Schutzschriften ausschließlich zum Schutzschriftenregister nach § 945a der Zivilprozessordnung einzureichen.
Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten
Der 01.01.2018 ist das allgemeine Inkrafttretensdatum des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013. An diesem Tag treten alle Vorschriften in Kraft, für die nicht ein anderes Inkrafttretensdatum bestimmt wurde.
Ab 1.1.2018 besteht grundsätzlich die Möglichkeit für die Anwaltschaft, elektronische Dokumente auch ohne qualifizierte elektronische Signatur bei Gericht über das besondere elektronische Anwaltspostfach einzureichen. Die Bundesländer haben allerdings die Option, die Eröffnung des elektronischen Kommunikationswegs bis zum 31.12.2018 oder 31.12.2019 zu verschieben. Das Verschieben hat durch die Länder einheitlich für alle Gerichtszweige zu erfolgen (Art. 24 Abs. 1 S. 2, sog. „Opt-Out“).
§ 130a ZPO
Elektronisches Dokument
(1) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der folgenden Absätze als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden.
(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen.
(3) Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.
(4) Sichere Übermittlungswege sind
- der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt,
- der Übermittlungsweg zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
- der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts; das Nähere regelt die Verordnung nach Absatz 2 Satz 2,
- sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
(5) Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen.
(6) Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und auf die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich bei einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und er glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.
Allgemeine Nutzungspflicht für Anwälte
§ 130d ZPO
Nutzungspflicht für Rechtsanwälte und Behörden*
Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.
*analoge Regelungen bestehen den anderen Verfahrensordnungen: vgl. § 14b FamFG, § 46g ArbGG, § 65d SGG, § 55d VwGO und § 52d FGO.